ich habe über meine Vorurteile gegenüber Flüchtlingen nachgedacht. Die Berufsfachschulklasse für Wirtschaft und Verwaltung hatte sich im Religions- und EDV-Unterricht auf den Besuch der Ausstellung Flucht 2.0 „An Odyssey To Peace“ vorbereitet. Dabei ging es um Vorurteile und die Frage, warum sich jeder Flüchtling ein Smartphone leisten kann. „So schlecht kann es denen doch gar nicht gehen, oder?“

Spätestens während der Führung wurde klar, dass eine Flucht ohne Smartphone unmöglich ist. Gebannt lauschten die Schüler/innen den Ausführungen von Farhad. Er selbst war monatelang auf der Flucht und hatte die lebensgefährlichen Mittelmeerpassage mit dem Schlauchboot bewältigt. Die Taliban wollen ihn wegen seiner Tätigkeit als Dolmetscher für die US-Streitkräfte in Afghanistan umbringen – deshalb blieb ihm nur die Flucht. Nach der Ausstellung haben die Schüler/innen einem (imaginären) Flüchtling einen Brief geschrieben. Unter dem Bild können Sie eine Auswahl an Briefen nachlesen:

Besucherklasse

Eine Klasse der Ketteler-Schule beim Besuch der Ausstellung Flucht 2.0 in Mainz

Lieber Farhad,

mich hat das alles sehr beeindruckt, wie du von deiner Flucht erzählt hast. Man kann das alles gar nicht glauben, dass mit Menschen so umgegangen wird. Davor merkt man davon nichts, in den Nachrichten werden immer nur halbe Dinge erzählt. Nie wird die Wahrheit rauskommen, wie schrecklich es wirklich ist. Ich finde es schreck­lich, was du erleben musstest. So eine lange Zeit ohne Zuhause, keine Gewissheit dass du wirklich da ankommst, wo du letztendlich hin möchtest. So viele Leute ster­ben zu sehen, mit denen man sich vielleicht angefreundet hat. So lange Zeit ohne Essen und einem vernünftigen Dach über dem Kopf zu leben. Das man nie weiß, wie es der Familie im Heimatland geht, die Ungewissheit ob sie noch leben ob sie noch leben oder Opfer eines Terroranschlags sind. Am schlimmsten fande ich, in dem kleinen Lager zu stehen. Dieser mangelnde Platz ist schrecklich und wir waren nur 20 Leute, ihr seid ja meistens um die 30 oder 40 Stück gewesen, und das für lange Tage. Ich hielt das kaum 10 Minuten aus. Du erzähltest auch von einer Mutter mit ihrem Baby, die keine Schlaf­tabletten mehr für Ihr Kind dabei hatte, deshalb wurfen die Schleuser das schreiende Kind einfach über Bord. Sowas als Mutter zu erleben muss schrecklich sein. Ich denke nun echt ganz anders über das Thema als davor. Ich bin dankbar dass du uns das alles erzählt hast. Das kostet dich ja auch viel Über­windung sowas Schlimmes zu erläutern und sich wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Jetzt kann alles nur noch besser werden. Vielen Dank für deine Führung.

Celine

Hallo Amir,

in meinen letzten beiden Relistunden habe ich mich intensiv mit Flüchtlingen beschäftigt. Dabei hat sich herausgestellt, dass jeder Vorurteile hat. Außerdem haben wir Frau Schwab besucht, die Lehrerin für die Flüchtlingsklasse an unserer Schule, und Eindrücke über die jungen Menschen an meiner Schule gesammelt. Dass diese so viel Leid ertragen haben, hätte ich nie gedacht. Ich sage dir ehrlich Amir: Auch ich hatte ein Vorurteil, dass ihr Frauen schlecht behandelt. Dieses Vorurteil bildete sich nach den Übergriffen an Silvester in Köln. Ich habe mich damit auseinandergesetzt. Ich fand heraus, dass trotz der Flüchtlingsströme die Anzahl an Übergriffen gegenüber Frauen in Deutschland nicht gestiegen ist, und Flüchtlinge davon am wenigsten betroffen sind. Zudem las ich von einem Deutschen Studienbericht (Forschungsbericht 21) die Personengruppen in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung von unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Abstammung untersuchten. Die Studie zeigt, dass die Religionszugehörigkeit oder Herkunft für die Erklärung von Geschlechterrollen keine Relevanz hat. So hat sich also mein Vorurteil wiederlegt. Als wir dann in der nächsten Relistunde durch die Ausstellung „Flucht 2.0“ liefen, wurde meine Klasse von einem Flüchtling geleitet. Spätestens nach der Tour wurde mir bewusst, dass nichts schlimmer ist als der Krieg und die dazugehörige Flucht. Ganz ehrlich, ich hätte das nicht so leicht weggesteckt wie du. Außerdem weiß ich jetzt, dass Vorurteile gut sind. Sie beweisen, dass hinter jedem Vorurteil noch Unwissen steckt, dass man nicht alles verstanden hat, es noch etwas zu lernen gibt. Amir, ich bin froh das du gut in Deutschland angekommen bist und wenn du Hilfe brauchst werde ich für dich da sein. Du hast mir bewiesen, dass Verständnis durch Begegnung entsteht.

Antonio

Lieber Mohammed,

ich schreibe dir, um von meinen Vorurteilen und Gefühlen zu erzählen: Einer meiner Vorurteile war, dass Flüchtlinge trotz ihrer Armut Smartphones besitzen. Nun weiß ich, dass das Handy auf der Flucht Leben rettet – über Gefahren oder Täuschungen wird von anderen Flüchtlingen in sozialen Netzwerken informiert. Dass eine Flucht nach Europa etwa 1 Jahr dauert und so viel Geld kostet hätte ich auch nicht gedacht. Deswegen bleiben auch immer Verwandte in den Kriegsländern zurück. Das Handy ist dabei der einzige Kontakt zur  Familie.

Ich bemitleide die Flüchtlinge die alleine in Deutschland ohne ihre Familie leben und auch die, die ihre Familie auf dem Weg oder in ihrem Heimatland verloren haben. Viele von den Flüchtlingen in meinem Alter sind sehr motiviert in der Schule unsere Sprache zu lernen und, das finde ich klasse. Traurig hingegen finde ich wie Flüchtlinge auf ihrer Flucht behandelt wurden/werden und was sie alles erleben. Was ich auch dazu gelernt habe, ist dass die Flüchtlinge in meinem Alter nicht viel anders sind wie ich und andere Jugendliche in meinem Alter. Man denkt auch, dass Flüchtlinge hier sehr gut leben, jedoch ist das nicht ganz so. Soviel Geld zum Leben haben sie nicht. Sie müssen auch unsere Sprache lernen um arbeiten zu können. Mein Bild von Flüchtlingen hat sich ziemlich verändert, da ich jetzt mehr Verständnis habe und auch teilweise mitfühlen kann. Man sollte sich selbst ein Bild machen und nicht so viel auf Medien hören. Ich wünsche viel Erfolg in Deutschland und beim erlernen unserer Sprache.

Gruß Georg

Brief an einen Flüchtling von Janina:

Vorurteile gegenüber Flüchtlingen sind heutzutage keine Seltenheit. Oft urteilen wir über euch Menschen, obwohl wir nicht einmal genau wissen, was ihr erleben musstet, um hierher zu kommen. Wir kennen eure Religion nicht, wir wissen nicht woher ihr kommt, aber dennoch urteilen wir über euch. Vorurteile wie zum Beispiel „Ihr kommt nur wegen unserem Geld, um und die Arbeit weg zu nehmen“ oder dass ihr euch hier nur einnisten wolltet hört man oft. Wir sollten uns intensiver mit den Vorurteilen auseinandersetzen, bevor wir über euch urteilen. Denn würden wir Deutsche das Gleiche durchmachen wie ihr, würden wir auch nicht wollen, dass man so oberflächlich über uns urteilt. Jeder Mensch hat das Recht respektvoll behandelt zu werden, egal woher er kommt. Wenn ich Bilder und auch Videos im Internet oder in den Nachrichten von eurer Flucht sehe, wird mir immer bewusster, dass man glücklich sein soll mit dem was man hat und wie gut wir es hier haben. Wir sollten euch kennenlernen und so behandeln, wie wir behandelt wollen würden. Ihr seid genauso Menschen wie wir auch und da spielt es keine Rolle woher man kommt, oder welcher Religion man angehört. Ich hoffe und wünsche mir selbst sehr, dass solche Vorurteile aufhören und endlich Frieden auf der Welt herrscht.


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